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Yunnan



Beissender Rauch steigt in meine Nase. Der Windstoss, der den Rauch zu mir getragen hatte, war untypisch für diesen sonnigen Tag. Kurz blieb er über mir stehen und machte beim nächsten Luftzug wieder kehrt Richtung Feuer, welches von zwei tibetischen Männern entfacht wurde.


Vor mir liegt ein kleines Kloster, zu welchem man über breite Steintritte gelangen konnte. Die weissen Mauern leuchten im Sonnenlicht, welches die fröhlich tanzenden Gebetsfahnen über meinem Kopf in bunten Farbtupfern aufblitzen lässt.

Ich befinde mich hier auf 3500 Metern über Meer, in mitten eines gewaltigen, schneebedeckten Bergpanoramas. Die buddhistischen Götter scheinen mir wohlgesinnt zu sein, denn ich bin mit kristallklarer Luft und blauem Himmel belohnt.



Rechts von mir kauert eine alte Frau in traditioneller Kleidung neben ihrem Gemüsestand. Ihre Lippen bewegen sich stumm, während sie eine Gebetskette durch die Finger gleiten lässt.

Ein älterer Mann dreht Runde um Runde um das Kloster und murmelt dabei stoisch Mantras vor sich her. “Er betet für seinen Seelenfrieden und für den der gesamten Menschheit, das verbessert sein Karma”, erklärt mir mein tibetischer Guide Tom, als er meinem fragenden Blick folgt.


Ich höre das Klingeln von Glöckchen und das Knattern der sich drehenden Gebetsmühlen. Auf den sich wirbelnden Trommeln blitzt golden das Sonnenlicht.

Es sind all diese Geräusche, die Gerüche von Rauch und kalter Luft, die warme Sonne auf meinem Kopf, die mich diesen Moment so intensiv wahrnehmen lassen.


Als ich durch die schwere, bunte Türe des Klosters trete, müssen sich meine Augen erst an die Dunkelheit im Innenraum gewöhnen. Ich kämpfe mit einer Wand aus Weihrauch.

Zahlreiche Butterkerzen flackern vor russigen Buddhas und furchteinflössenden Figuren mit mehreren Armen, drei Augen oder Tierköpfen.

Die Wände sind mit Stoffbehängen und Wandbildern aus Zeichnungen von heiligen Gottesfiguren geschmückt, farbige Mandalas überall.

Auch hier findet sich das Bild vom Kreislauf der Wiedergeburt, wo mich die Bereiche der höllischen Qualen und himmlischen Freuden erstaunlich an das Christentum erinnern.

Wie beispielsweise beim Daoismus beziehen sich auch beim Buddhismus die Grundsätze auf philosophische Vorstellungen. Über dies hinaus umfasst er ein weite Palette an Erscheinungsformen, welche mich auf meinen Reisen immer wieder aufs Neue faszinieren.


Diesen Dingen offen zu begegnen, nicht zu urteilen und Dagewesenes auch mal zu hinterfragen, davon ein Stück für sich mit nach Hause zu nehmen und daran selbst zu wachsen – das sind für mich Erfahrungen, die mein Leben bereichern.



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